Dr. Jing Wang

Vermögensverfügung beim Betrug

Eine rechtsvergleichende Untersuchung des deutschen, chinesischen und japanischen Rechts

Status

Das Projekt ist abgeschlossen

Publikation

  • 384 Seiten; Baden-Baden, 2016
  • ISBN: 978-3-8487-2716-2
  • Preis: 99 EUR

Die Arbeit hat die Bedeutung der Vermögensverfügung für die Abgrenzung von Diebstahl und Betrug im deutschen, chinesischen und japanischen Recht zum Gegenstand.

Der erste Teil geht auf das Rechtsgut und den Unrechtsgehalt des Betrugs und Diebstahls in den drei Rechtsordnungen ein. In Deutschland unterscheidet man zwischen Delikten gegen das Gesamtvermögen und gegen einzelne Vermögenswerte. Aufgrund der Rezeption des deutschen Rechts wurde diese Unterscheidung auch in Japan und China eingeführt. Während der Betrug im deutschen Recht als Delikt gegen das Gesamtvermögen und der Diebstahl als Eigentumsdelikt eingeordnet wird, werden beide in Japan und China als Delikte gegen einzelne Vermögenswerte angesehen. Ein weiterer Unterschied liegt darin, dass der Straftatbestand des Diebstahls im chinesischen Recht das gleiche Rechtsgut schützt wie der des Betrugs, nämlich das öffentliche und private Vermögen. Dies könnte dazu führen, dass das Verhältnis von Betrug und Diebstahl in China ein anderes ist als in Deutschland und Japan. Gleichwohl ist eine zunehmende Annäherung der drei Rechtsordnungen in der Betrugs- und Diebstahlsauffassung erkennbar. Mit einer solchen Annäherung konnte eine begrifflich und strukturell gemeinsame Grundlage für eine vergleichende Untersuchung gewährleistet werden.

Zur Beantwortung der anfangs gestellten Frage wird anschließend die Vermögensverfügung als ungeschriebenes Merkmal des Betrugs näher betrachtet. Sie hat in den drei Rechtsordnungen vor allem drei Funktionen, nämlich eine Selbstschädigungs-, eine Verbindungs- und eine Abgrenzungsfunktion. Bei einer kritischen Analyse ergeben sich jedoch folgende Bedenken: Die Charakterisierung des Betrugs als Selbstschädigung ist ein grundlegendes Missverständnis von dessen Zurechnungsstruktur; die überlieferte Verbindungsfunktion der Vermögensverfügung kann nicht aufrechterhalten werden, weil die Vermögensverfügung einen engeren Zurechnungszusammenhang als den bloßen Ursachenzusammenhang zwischen Irrtum und Schaden herstellt; auch das Exklusivitätsdogma scheitert bereits an dem methodischen Mangel. Das Konkurrenzmodell ist vergleichsweise vorteilhaft.

Mit der Befreiung der Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale des Betrugs von dem Exklusivitätsdogma sind schließlich beide Momente der Vermögensverfügung, nämlich das Unmittelbarkeitserfordernis und das Verfügungsbewusstsein, sowie der Dreiecksbetrug als Sonderform des Betrugs zu prüfen. Die herkömmliche Auslegung beider Momente orientiert sich nicht an Wesen und Zweck beider Tatbestände; ihr ist nicht zuzustimmen. Während das Unmittelbarkeitserfordernis den Zurechnungszusammenhang zwischen Schaden und Täuschungshandlung herstellt und damit als ein Wesensmerkmal des Betrugs unentbehrlich ist, ist das Verfügungsbewusstsein lediglich ein Abgrenzungsmerkmal und daher verzichtbar. Dem Unmittelbarkeitserfordernis kommt unter dem Gesichtspunkt des tatbestandsmäßigen Verhaltens eine weitere Bedeutung zu, nämlich die, die betrugsrelevante Täuschung zu präzisieren.

Schließlich ist der Dreiecksbetrug in der deutschen und japanischen Literatur weitgehend anerkannt, während er in China sehr umstritten ist. Allerdings ist auch in Deutschland problematisch, wann der Getäuschte über fremdes Vermögen verfügen kann. Dies gilt besonders für den Prozessbetrug, der auch in China im Zentrum der Diskussionen steht.

Insgesamt wird somit überprüft, ob sich die deutsche und japanische Betrugsdogmatik, insbesondere die Diskussion zur Vermögensverfügung, auf das chinesische Recht übertragen lässt und welche Rolle diese dort vor dem Hintergrund einer abweichenden Formulierung der Tatbestände spielen kann.

Dr. Jing Wang

Jing Wang wurde in Hunan, VR China, geboren. Von 2005 bis 2011 studierte sie Jura mit Schwerpunkt Strafrecht an der Tsinghua-Universität in Peking. Im Jahr 2011 schloss sie ihr Studium mit dem Erwerb des Titels „Magister der Rechtswissenschaft“ ab.

Im Mai 2012 trat Jing Wang in die Research School ein, im Juli 2015 schloss sie ihr Projekt ab.

Dissertationsbetreuer:
Prof. Dr. Walter Perron