Dominik Stahlmecke

Das sogenannte Geschäftsherrenmodell für den Tatbestand der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 299 StGB)


Korruption wird heute weltweit als Problem nicht nur des öffentlichen Sektors begriffen. Ihre Eindämmung auch im privaten Sektor wird als ebenso dringliche Herausforderung angesehen, der in einer globalisierten Welt nur durch international abgestimmte Strafrechtssetzung begegnet werden könne. Konkret liegen mit dem Strafrechtsübereinkommen des Europarats über Korruption, dem EU-Rahmenbeschluss 2003/568/JI sowie dem UN-Übereinkommen gegen Korruption drei Regelungswerke vor, die der deutsche Gesetzgeber durch eine Reform des § 299 StGB umzusetzen sucht.

Gegenstand der Arbeit ist der entsprechende Gesetzentwurf (BTDrs. 16/6558). Er sieht vor, § 299 StGB in Umsetzung der Regelungswerke um eine neue Tatvariante zu ergänzen. Danach soll die Strafbarkeit an die Zusage eines Angestellten gegenüber einem bestechenden Vorteilsgeber geknüpft werden, er werde seine Pflichten gegenüber seinem Unternehmen verletzen. Die Etablierung dieses sog. Geschäftsherrenmodells wirft nicht nur in systematischer Hinsicht erhebliche Rechtsprobleme auf. Problematisch erscheint auch der weite, selbst untergeordnete Nebenpflichten erfassende, Wortlaut sowie v. a. die grundlegende Frage nach der Legitimation der Strafnorm, die den „Schutz der Interessen des Geschäftsherren an der loyalen und unbeeinflussten Erfüllung der Pflichten durch seine Angestellten“ intendiert.

Zentrales Anliegen der Arbeit ist es, den tatbestandlichen Anwendungsbereich und die Reichweite der neuen Geschäftsherrenvariante neben der bisherigen sog. Wettbewerbsvariante zu bestimmen. Zu diesem Zweck stützt sich die Untersuchung auf eine eingehende Analyse der internationalen Vorgaben, die bisher nicht auf den tatbestandlich relevanten Pflichtenkreis hin untersucht wurden. Dabei wird deutlich, dass die Identifikation des zutreffenden Gesetzesverständnisses durch die unterschiedslose Bezugnahme des Reformentwurfs auf Übereinkommen mit divergierenden Zielsetzungen, welche die Anknüpfung an verschiedene Pflichtenkreise bedingen, erschwert wird.

Darüber hinaus widmet sich die Arbeit der Betrachtung ausländischer Rechtsordnungen, welche Korruption im privaten Sektor zumeist als Delikt gegen den Geschäftsherren eines Angestellten begreifen. Auf diese Weise soll das Gesetzesverständnis zahlreicher europäischer Rechtsordnungen im Wege der Rechtsvergleichung für die deutsche Regelung fruchtbar gemacht werden. Auch hierbei wird sich zeigen, dass die Delikte in verschiedenen Rechtsordnungen unterschiedlich interpretiert werden, wobei insbesondere bei kürzlich reformierten Tatbeständen, wie etwa in Frankreich und (in Bälde auch) in Großbritannien, eine möglichst extensive Erfassung von „erwartungswidrigem“ Verhalten im wirtschaftlichen und sozialen Leben angestrebt wird.

Schließlich wird die neue Tatvariante des § 299 StGB detailliert analysiert. Als Schlüssel zum Gesetzesverständnis erweist sich dabei eine präzise Rechtsgutsbestimmung. Unter Zugrundelegung der bisherigen Erkenntnisse wird untersucht, ob die Neuregelung in seiner Deliktsstruktur eher dem einen oder anderen der zuvor identifizierten Regelungsregime folgt und demnach auf ein bestimmtes Rechtsgut zugeschnitten ist. Ausgehend von Gemeinsamkeiten und Unterschieden zu Regelungen im Ausland soll aus der Normstruktur und der Stellung der Norm im Gesamtgefüge ein Rechtsgut identifiziert werden, das – anders als ein bloßes Interesse an der Normgeltung – auch vor systemkritischen Rechtsgutserwägungen Bestand hat und damit den zentralen Beitrag zum Gesetzesverständnis leistet. Als wegweisend könnte sich dabei das bisher wenig beachtete Nebeneinander von bisheriger und neuer Tatvariante erweisen, wie es sich ähnlich im österreichischen Recht findet.

Dominik Stahlmecke

Dominik Stahlmecke wurde in Minden (Westfalen) geboren.Im April 2003 nahm er sein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Mannheim auf, in dessen Verlauf er einen wirtschafts-, umwelt- und steuerstrafrechtlichen Schwerpunktbereich wählte. Zwischen November 2003 und Dezember 2007 arbeitete er zugleich als studentische Hilfskraft am Lehrstuhl für Europäisches Transport- und Verkehrsrecht der Universität Mannheim. Im Juli 2008 legte er die Erste Juristische Prüfung ab.

Von Oktober 2008 bis September 2010 war er als Wiss. Angestellter am Institut für Kriminologie und Wirtschaftsstrafrecht (Prof. Dr. Roland Hefendehl) an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg tätig.

Die Aufnahme in die Research School erfolgte im September 2010.

Dissertationsbetreuer:
Prof. Dr. Roland Hefendehl