Johann Steudle

Korruptionsbekämpfung durch Dienstrecht?

Rechtsvergleichende Analyse antikorruptiver Verhaltenspflichten öffentlicher Bediensteter in Deutschland und Russland

Die Dissertation befasst sich mit dem länderübergreifenden Phänomen der Korruption (d.h. Missbrauch anvertrauter Macht zum persönlichen Vorteil) und widmet sich rechtlichen Einwirkungsformen zu ihrer Bekämpfung im öffentlichen Dienst Deutschlands und Russlands. Aktuelle kriminalpolitische Konzepte gehen dabei über klassische strafrechtliche Reaktionen hinaus und etablieren u.a. spezielle dienstrechtliche Pflichten für Amtsträger im Vorfeld des mit Strafe bedrohten Verhaltens, die das Risiko des Missbrauchs öffentlicher Funktionen präventiv verringern sollen.

In der seit 2008 entwickelten Antikorruptionsgesetzgebung Russlands nehmen solche Vorschriften eine maßgebliche Stelle ein. Diese entsprechen thematisch bestehenden Regelungen im deutschen Dienstrecht: So sind beiderseits Verbote zur Annahme persönlicher Vorteile, Beschränkungen zur Ausübung von Neben- und Nachbeschäftigungen sowie Regeln zur Vorbeugung von Konflikten dienstlicher und privater Interessen normiert. Für russische Staatsbedienstete bestehen darüber hinaus Pflichten zur Veröffentlichung von Einkommens- und Vermögensverhältnissen. Eine systematische Darstellung dieser Vorschriften ist weder zur aktuellen deutschen noch zur russischen Rechtslage vorhanden.

Unter der Titelfrage „Korruptionsbekämpfung durch Dienstrecht?“ beleuchtet die Dissertation, welche Bedeutung diesem bei der Vorbeugung korrupten Verhaltens in rechtswissenschaftlicher, rechtspolitischer und kriminologischer Hinsicht zukommt. Dabei stellt sich u.a. die Frage, inwieweit dienstrechtliche Verhaltenspflichten als Erweiterung, Konkurrenz, Ersatz oder Entlastung strafrechtlicher Regelungen aufgefasst werden können. Damit berührt die Arbeit thematisch allgemeine Tendenzen der Überlagerung strafrechtlicher und außerstrafrechtlicher Kriminalitätskontrolle angesichts funktionaler Grenzen des Strafrechts. Sie dient außerdem der Bestandsaufnahme international unterschiedlicher Entwicklungsstände von Korruptionskriminalität und ihrer Bekämpfung und überprüft insbesondere, ob die seit 2008 betriebene Modernisierungspolitik die Korruptionsprävention in Russland westlichen Standards angenähert hat.

Arten und wesentliche Merkmale antikorruptiver Dienstpflichten werden in erster Linie mit Methoden der Rechtsvergleichung herausgearbeitet. Dabei werden russische und deutsche Normen unter Berücksichtigung ihres jeweiligen rechtlichen und sozialen Kontextes systematisiert, analysiert sowie wesentliche Unterschiede und Gemeinsamkeiten dargestellt.

Die Untersuchung erstreckt sich darüber hinaus auf rechtstatsächliche Aspekte zur Ausgestaltung ihrer praktischen Durchsetzung in den Vergleichsländern, wozu eine eigene Erhebung in Form von Experteninterviews geplant ist. Maßgebliche Aspekte dabei sind ihre Vermittlung gegenüber öffentlichen Bediensteten und der Öffentlichkeit, die getroffenen Aufsichts- und Kontrollmaßnahmen zu ihrer Einhaltung sowie Verfahren und Sanktionen im Fall von Verstößen.

Die Analyse knüpft an die bestehende rechts- und sozialwissenschaftliche Korruptionsforschung an und bezieht sich auf kriminologische Erklärungsansätze zur Entstehung korrupten Verhaltens und der gesellschaftlichen Reaktion darauf. Anhand der Vergleichsergebnisse sollen entsprechende Schlussfolgerungen zu Wirkungschancen und -grenzen der bestehenden Regelungen gezogen sowie eine Einschätzung dazu formuliert werden, welche Bedeutung dem Dienstrecht in einem Gesamtkonzept der Korruptionsbekämpfung zukommen kann.

Johann Steudle
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Johann Steudle wurde 1980 in Aachen geboren. Von 1999 bis 2006 studierte er Rechtswissenschaften an der Universität Bayreuth, der Lomonossow-Universität Moskau (МГУ) und der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Von 2006 bis 2008 war er Lektor der Robert-Bosch-Stiftung an der Sibirischen Föderalen Univeristät (Krasnojarsk).

Von 2008 bis Ende 2010 absolvierte er sein Referendariat in Berlin mit Stationen u.a. bei der Schwerpunktstaatsanwaltschaft Korruptionsbekämpfung und einem Projekt der GIZ zur Rechtsreformberatung in Georgien. 2011/12 unterrichtete er für die FU Berlin am Moskauer Staatlichen Institut für internationale Beziehungen (МГИМО).

Im Juli 2012 wurde er an der Albert-Ludwigs-Universität zur Promotion zugelassen und im Mai 2013 in die Research School aufgenommen. Er ist Mitglied im Wissenschaftlichen Arbeitskreis von transparency international Deutschland.

Dissertationsbetreuer:
Prof. Dr. Roland Hefendehl