Dr. Alejandra Castillo Ara
Normbefolgungsunfähigkeit im Strafrecht
Eine vergleichende Analyse des deutschen und des US-amerikanischen Rechts
Status
Das Projekt ist abgeschlossen
Publikation
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In allen Rechtsordnungen stellt sich der Fall, dass ein Einzelner nicht in der Lage ist, sein eigenes Verhalten nach rechtlichen Maßstäben zu steuern, weil er die einschlägigen rechtlichen Maßstäbe nicht kennt und deswegen die Rechtswidrigkeit der Handlung nicht verstehen kann. Diese Art von Normbefolgungsunfähigkeit wird sowohl vom deutschen als auch vom US-amerikanischen Recht im Grundsatz als Verbotsirrtum (§ 17 StGB) bzw. als mistake of law anerkannt; allerdings sind die Voraussetzungen und Rechtsfolgen dieser beiden Figuren unterschiedlich. Ein zweiter vom Strafrecht zu berücksichtigender Fall der fehlenden Normbefolgungsfähigkeit ist die Konstellation, dass die fehlende Steuerungsfähigkeit auf einer seelischen Störung beruht. In Deutschland wird von der herrschenden Meinung die Auffassung vertreten, dass diese – unter dem Begriff der „Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen“ (§ 20 StGB) anerkannte – Normbefolgungsunfähigkeit ein Unterfall des Verbotsirrtums sei, während in den USA die strafausschließende Wirkung des Verbotsirrtums im Einzelfall davon abhängt, dass ein Verbotsirrtum als Verteidigungsargument mit einer insanity plea verbunden wird. Ein dritter spezieller Fall der Normbefolgungsunfähigkeit beruht auf der kulturellen Prägung des Täters: Wer eine abweichende Konzeption der in der Gesellschaft geltenden verrechtlichten Werte hat oder wer diese Werte nicht kennt, kann ebenfalls unfähig sein, sein Verhalten nach diesen Maßstäben zu steuern. Für diese dritte Fallkonstellation, die nach deutschem Verständnis dem klassischen Verbotsirrtum ähnelt, aber auch Bezüge zur Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störung aufweist, ist die rechtliche Behandlung in beiden Ländern nicht weniger divergent. Im US-amerikanischen Recht kann hier die sog. cultural defense greifen, die aber als Verteidigung nur dann greift, wenn ein Zusammenhang mit einer insanity plea hergestellt wird.
Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei der Behandlung dieser drei Fallkonstellationen bilden den Forschungsgegenstand dieses Projekts. Dessen Ziel ist, Probleme und Perspektiven der verschiedenen Fallkonstellationen aufzuzeigen, um daraus ein besseres Modell zur Behandlung der verschiedenen Phänomene und insbesondere des Verbotsirrtums zu entwickeln. Dabei sollen vor allem die existierenden Kriterien zur Überprüfung der Vermeidbarkeit der Normbefolgungsunfähigkeit erweitert und der Rahmen für eine konsequentere Umsetzung des Schuldprinzips geschaffen werden.
Methodisch bedient sich die Arbeit der funktionalen Rechtsvergleichung. Diese hat bei der Ausarbeitung des Forschungskonzepts der vorliegenden – zunächst auf den klassischen Verbotsirrtum beschränkten – Arbeit die Zuammenhänge zwischen den genannten Fallkonstellationen erst aufgezeigt. Mit einer funktionalen Gesamtbetrachtung der genannten und bisher meist nicht als zusammengehörig verstandenen Lebenssachverhalte werden nunmehr auf der Grundlage einer für alle drei Fallkonstellationen geltenden gemeinsamen Gliederungsstruktur die Sachverhalte und die rechtlichen Lösungen für diese Fallkonstellationen verglichen. Dabei erfolgt sowohl ein Vergleich der verschiedenen unterschiedlichen Regelungstechniken als auch der jeweiligen Wertmaßstäbe der einschlägigen Bestimmungen.
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Einordnung Forschungsprogramm
- Forschungsschwerpunkte: Funktionale Grenzen
- Relevante Rechtsordnungen: Nationales Strafrecht
- Relevante Delinquenzbereiche: Andere Formen komplexer Kriminalität
- Das Projekt ist abgeschlossen.
- Bei Fragen zum Projekt oder zu Dr. Alejandra Castillo Ara wenden Sie sich bitte per Email an uns.
Alejandra Castillo Ara wurde in Santiago, Chile, geboren. Von 2002 bis 2006 studierte sie Rechtswissenschaft an der Universidad Adolfo Ibáñez in Santiago, von der sie ein „Beca de Honor“-Stipendium erhalten hatte. 2007 legte sie ihr juristisches Examen mit dem Erwerb des Titels „Licenciada en Ciencias Jurídicas y Sociales“ ab. Ferner hat sie die Auszeichnung „Premio Mejor Licenciada 2007“ als Jurastudentin und Rechtsreferendarin mit dem besten Notendurchschnitt erhalten. Seit 2008 ist sie als Rechtsanwältin zugelassen.
2009 war Alejandra Castillo Ara Dozentin für Strafrecht an der Universidad Adolfo Ibáñez Santiago. Von 2009 bis 2011 arbeitete sie in der Forschungsabteilung des Strafverteidigungsamtes und an der Strafverteidiger-Akademie. 2013 schloss Alejandra Castillo Ara das Postgraduiertenstudium an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg mit dem Titel „Magister Legum“ (LL.M.) ab.
Für ihr Promotionsvorhaben hat sie ein Stipendium der Comisión Nacional de Investigación Científica y Tecnológica (CONICYT) erhalten. Die Aufnahme in die Research School erfolgte im September 2015.
Dissertationsbetreuer:
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Ulrich Sieber