Dr. Vasiliki Chalkiadaki

Gefährderkonzepte in der Kriminalpolitik

Rechtsvergleichende Analyse der deutschen, französischen und englischen Ansätze

Status

Das Projekt ist abgeschlossen

Publikation

Ausgangspunkt des Forschungsprojekts ist der in der deutschen sicherheitspolitischen Diskussion verwendete, aber nicht rechtlich definierte Begriff des Gefährders. Dieser als Arbeitsbegriff der Sicherheitsbehörden eingeführte Terminus wird seit 2001 intensiv genutzt, insbesondere in Fällen des islamistischen Terrorismus. Zudem wurden seit den 1990er Jahren Polizeipraktiken für bestimmte, als gefährlich eingeschätzte Gruppen (gewaltbereite Fußballfans, junge Intensivtäter, Gewalttäter im sozialen Nahraum, in den folgenden Jahren um die Risikogruppe der haftentlassenen Sexualstraftäter ergänzt) entwickelt. Solche Praktiken werden heute als Gefährderkonzepte bezeichnet und konzentrieren sich auf die polizeiliche Einstufung von bestimmten Personen in sog. Gefährderdateien auf der Basis der Annahme, dass diese Personen künftig schwere Straftaten begehen werden. Im Rahmen solcher Überwachungskonzepte werden Informationen und Erkenntnisse unter verschiedenen Justiz- und Sicherheitsbehörden sowie Betreuungseinrichtungen zum Zweck der effektiveren Kontrolle von Risikopersonen ausgetauscht.

Die vorliegende Studie geht über die Fragestellungen der Entstehung und Implementierung der Gefährderkonzepte hinaus und setzt sich mit der rechtlichen Gestaltung und den Praktiken zur Prävention von schwerer Gewalt auseinander. Die Gefährderkonzepte verweisen auf eine neue „Architektur“, in der das Strafrecht in ein System der Herstellung und Bewahrung von Sicherheit eingeordnet wird. Hiermit entstehen verschiedene Zusammenhänge zwischen dem Strafrecht und dem Polizeirecht sowie eine stärkere Orientierung des Strafrechts an den Risiken und der Abwehr von Gefahren. In diesem Verhältnis von Strafrecht und Gefahrenabwehr finden die Gefährderkonzepte durch die gezielte Beherrschung von Sicherheitsrisiken ihren Platz.

Anhand einer ausführlich begründeten Auswahl werden in der Studie die präventiven Maßnahmen und Institutionen zur Bekämpfung von Hooliganismus, Terrorismus und Rückfallkriminalität von haftentlassenen Sexualstraftätern in Deutschland, Frankreich und England & Wales untersucht. Konkret analysiert werden in diesem Zusammenhang die besonderen strafrechtlichen Vorschriften aus den Strafgesetzbüchern oder Spezialgesetzen der jeweiligen Länder. Auch verwaltungsrechtliche Vorschriften wie die zu den französischen verwaltungsrechtlichen Stadionverboten und Anhängergruppenauflösungen werden dargestellt. Ausführlich erklärt wird das besondere System der „orders“ in England, die nicht nur die Bewegungsfreiheit einschränken (z.B. football banning orders), sondern sogar in die Lebensgestaltung der Betroffenen eingreifen (z.B. terrorism prevention and investigation measures, sexual offences prevention orders). Ferner werden die Stufenkonzepte für Problemfans und die Überwachungskonzeptionen für Sexualstraftäter der deutschen Polizeibehörden näher erläutert, bei denen die Gefährderdateien der Sicherheitsbehörden der drei Länder und ihre Zusammenarbeit beim Risikomanagement eine zentrale Stelle einnehmen.

Die Untersuchung dieser Maßnahmen und ihre Einordnung in das Strafrecht und/oder Gefahrenabwehrrecht ergaben vier Gemeinsamkeiten der Rechtssysteme bei der Prävention der Gefahr von schwerer Gewalt: die Vorverlagerung der Strafbarkeit, die Entwicklung von administrativen (gefahrenabwehrrechtlichen) Maßnahmen, die Schaffung und Nutzung von Dateien zur Einstufung von Personen als effektivste Methode zur Gewinnung von Erkenntnissen sowie die Zusammenarbeit der Sicherheits- und Justizbehörden. Damit schafft die Arbeit eine Grundlage für die Analyse der Rolle des Strafrechts und die weitere Diskussion im Bereich der Sicherheitspolitik.

Dr. Vasiliki Chalkiadaki

Vasiliki Chalkiadaki wurde in Xanthi, Griechenland, geboren. Von 2003 bis 2008 studierte sie Rechtswissenschaften an der Nationalen Kapodistrias-Universität Athen. Während ihres Studiums absolvierte sie ein Auslandssemester an der Leibniz Universität Hannover. Nach dem Studium in Athen nahm sie an dem EUCOR-Master-Programm der Universitäten Freiburg, Basel und Straßburg teil, das sie 2010 mit dem Erwerb des „Magister Legum“ (LL.M), des „Master of Law“ und des „Master Droit et Études Européennes“ abschloss. Unter Betreuung von Prof. Dr. Hans-Jörg Albrecht verfasste sie ihre Masterarbeit im Bereich der Frauenkriminalität mit dem Fokus auf Terrorismus, Organisierter Kriminalität und Menschenhandel.

Seit 2008 studiert Vasiliki Chalkiadaki auch Turkologie an der Nationalen Kapodistrias-Universität Athen. Seit 2011 ist Vasiliki Chalkiadaki als Rechtsanwältin in Athen zugelassen.

Die Aufnahme in die Research School erfolgte im Februar 2011. Ihre Promotion schloss Vasiliki Chalkiadaki im Juli 2015 ab.