Dr. Susanne Forster

Freiheitsbeschränkungen für mutmaßliche Terroristen

Eine Analyse der Terrorismusgesetzgebung des Vereinigten Königreichs

Status

Das Projekt ist abgeschlossen

Publikation

  • 341 Seiten; Berlin, 2010
  • ISBN: 978-3-86113-847-1
  • Preis: 31 EUR / 48 sFr

Die Terroranschläge in New York, Madrid und London haben dazu geführt, dass viele Staaten ihre Gesetze zur Bekämpfung von Terrorismus deutlich verschärft haben. Da Terroranschläge viele Opfer fordern oder auch massive Sachschäden hervorrufen können, ist nicht nur die Verfolgung und Sanktionierung bereits verübter Taten, sondern insbesondere die Verhinderung von Anschlägen oberstes Ziel der Gesetze zur Terrorbekämpfung. Die besondere Betonung der Prävention hat zur Folge, dass staatliches Einschreiten mit strafrechtlichen Mitteln immer weiter in das Vorfeld einer Tat verlagert wird, wodurch das Strafrecht an seine funktionalen Grenzen stößt. Einer der zentralen Aspekte bei der Terrorismusbekämpfung ist der Umgang mit Terrorverdächtigen, also mit potenziell gefährlichen Tätern. Auf welche Weise darf in die Bewegungsfreiheit mutmaßlicher Terroristen eingegriffen werden, ohne dass hierdurch gegen menschenrechtliche Garantien verstoßen wird? Ist dies nur mit klassisch repressiven Mitteln zulässig oder kann auch mittels präventiver Maßnahmen die Freiheit in menschenrechtskonformer Weise eingeschränkt oder gar entzogen werden?

Zur Beantwortung der Forschungsfrage untersucht die Dissertation die Terrorismusgesetzgebung des Vereinigten Königreichs seit dem Jahr 2000. Diese verfolgt sowohl einen repressiven Ansatz durch spezielle Straftatbestände und besondere Ermittlungsmaßnahmen als auch einen präventiven Ansatz, der u.a. die Überwachung potenzieller Terroristen umfasst. Aufgrund ihrer Regelungsdichte und ihrer weitreichenden Konsequenzen sind die britischen Terrorismusgesetze für eine wissenschaftliche Untersuchung besonders interessant. Um dies zu verdeutlichen, wird auch ein Überblick über die wichtigsten Regelungen der Anti-Terror-Gesetze gegeben.

Im Fokus der Untersuchung stehen freiheitsbeschränkende und freiheitsentziehende Maßnahmen für mutmaßliche Terroristen. Als klassisch repressives Instrument wird der verlängerte Polizeigewahrsam (detention without charge) und als Maßnahme zur präventiven Freiheitsbeschränkung werden die Kontrollverfügungen (control orders) auf ihre Vereinbarkeit mit den Vorgaben der EMRK überprüft. Die Untersuchung zeigt, dass eine repressive Freiheitsentziehung im Wege des Polizeigewahrsams grundsätzlich durch Art. 5 Abs. 1 lit. c EMRK gerechtfertigt ist, es im Einzelfall aber insbesondere zu einer Verletzung der Verfahrensrechte des Art. 5 Abs. 2 bis 4 EMRK kommen kann. Längerfristige präventive Freiheitsentziehungen sind durch die Rechtfertigungsgründe des Art. 5 Abs. 1 EMRK nicht gedeckt, sodass Kontrollverfügungen nicht per se menschenrechtskonform sind. Es stellt sich aber zunächst die Frage, ob überhaupt eine Freiheitsentziehung gegeben ist, oder ob es sich nur um eine Freiheitsbeschränkung handelt. Statt einer vollständigen Freiheitsentziehung werden lange Ausgangssperren mit starken Einschränkungen der sozialen Kontakte und Kommunikationsmöglichkeiten kombiniert. Daher bewegt sich die Maßnahme an der Grenze des von Art. 5 EMRK erfassten Schutzbereichs. Mit derart weitreichenden präventiven Maßnahmen hat sich der EGMR bislang nicht befasst. Ob der Gerichtshof im Einzelfall eine Kontrollverfügung als unvereinbar mit Art. 5 EMRK ansehen würde und wann genau die Schwelle zur Freiheitsentziehung überschritten ist, bleibt daher offen.

Eine Gegenüberstellung der britischen Maßnahmen mit dem deutschen Recht zeigt, dass es trotz unterschiedlicher Regelungsdichten deutliche strukturelle Parallelen im Bereich der Terrorismusbekämpfung gibt. Eine immer stärkere Betonung der Prävention durch wachsende Ermittlungsbefugnisse wie auch durch zunehmende Vorverlagerungen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit ist auch in Deutschland festzustellen.

Dr. Susanne Forster

Dr. Susanne Forster wurde in Frankfurt a.M. geboren. Von 1995 bis 2001 studierte sie Rechtswissenschaften in Frankfurt, Leicester (GB) und Mainz. Im Anschluss an die erste juristische Staatsprüfung absolvierte sie ein einjähriges Master-Studium an der University of Edinburgh (GB).

Nach ihrer zweiten juristischen Staatsprüfung war sie von 2004 bis 2005 in einer internationalen Sozietät in Frankfurt a.M. im Bereich des Arbeitsrechts tätig. Seit 2005 ist sie wissenschaftliche Referentin am MPI für ausländisches und internationales Strafrecht und Leiterin des Referats „Vereinigtes Königreich und Republik Irland“.

Die Aufnahme in die Research School erfolgte im Januar 2007. Im Juli 2009 schloss sie ihre Promotion ab.