Dr. Sarah Herbert
Grenzen des Strafrechts bei der Terrorismusgesetzgebung
Ein Rechtsvergleich zwischen Deutschland und England
Status
Das Projekt ist abgeschlossen
Wie viele andere Länder reagierten auch Deutschland und England auf die Gefahr eines bisher unbekannten, globalen Terrorismus mit der Einführung neuer Straftatbestände. Vorrangiges Ziel der Gesetze ist, ein früheres staatliches Eingreifen zu ermöglichen, indem an Tathandlungen weit im Vorfeld des eigentlichen Taterfolgs angeknüpft wird. In einem Rechtsstaat muss die Eingriffsbefugnis des Staats jedoch klare Grenzen haben. Neue Risiken werfen daher neue Fragen nach der Legitimation und den funktionalen Grenzen des Strafrechts auf, die sich im Spannungsfeld zwischen der strafrechtlich geschützten kollektiven Sicherheit und der Freiheit des Einzelnen bewegen.
Das Dissertationsprojekt hat die Kriterien untersucht, die zur Auflösung des Konflikts zwischen Freiheit und Sicherheit diskutiert werden. Ziel des Forschungsvorhabens war die Gegenüberstellung von Strafrechtsbegrenzungskriterien und ihrer Bedeutung bei der Terrorismusstrafgesetzgebung in Deutschland und England. Es sollte herausgearbeitet werden, inwieweit allgemeine Sicherungsmechanismen die (Terrorismus-)Strafgesetzgebung einschränken und länderspezifische Eigenheiten eine Ausweitung begünstigen.
Die Untersuchung erfolgte im Wege der funktionalen Rechtsvergleichung. Der Vergleich mit einem Land aus dem angloamerikanischen Rechtskreis versprach neue Sichtweisen. Zudem schien England, das eine eingriffsintensivere Kriminalpolitik verfolgt, den Konflikt zwischen Freiheit und Sicherheit nach anderen Kriterien aufzulösen. Die Analyse beschränkte sich auf das Beispiel der Terrorismusstrafgesetzgebung, in der die Ausdehnung des Strafrechts an seine funktionalen Grenzen besonders deutlich hervortritt.
Die Arbeit zeigt neben deutlichen Parallelen in den Regelungsmaterien der Tatbestände, dass das englische Strafrecht insgesamt über eine höhere Regelungsdichte verfügt und dass Unterschiede in der Regelungstechnik des Gesetzgebers bestehen. Der Vergleich allgemeiner Begrenzungskriterien des Strafrechts veranschaulicht, dass diese (trotz ähnlicher Prämissen) in Deutschland überwiegend strenger ausgestaltet sind. Die Sicherungsmechanismen sind hier größtenteils verfassungsrechtlich verankert und gelten als unantastbar. In der englischen Strafrechtsordnung erscheinen hingegen fundamentale Begrenzungsprinzipien als von vorneherein einschränkbar. Insbesondere das das deutsche Strafrecht prägende Schuldprinzip sieht sich mit zahlreichen Ausnahmen konfrontiert. Gleichzeitig zeigt aber etwa die – partielle – Rezeption des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Veränderungen im englischen Recht zugunsten einer stärkeren Orientierung an festgeschriebenen Rechten und allgemeinen Rechtsprinzipien, was insbesondere auf die Auswirkungen des Human Rights Acts von 1998 zurückzuführen ist.
Ferner bestehen nach dem gegenwärtigen Stand der Untersuchung Anhaltspunkte dafür, dass sich die weniger strengen Strafrechtsbegrenzungskriterien in England in einer eingriffsintensiveren Terrorismusstrafgesetzgebung niederschlagen. Ein Vergleich der Tatbestände weist auf die unterschiedliche Umsetzung des Schuldprinzips hin. Die präventivere Ausrichtung des englischen Strafrechts zeigt sich ferner in Form geringerer Anforderungen an den objektiven Unrechtsgehalt einer Tat sowie in Gestalt überproportionaler Strafandrohungen. Die englischen Tatbestände lassen außerdem Einschränkungen und Konkretisierungen, wie sie sich in den deutschen Tatbeständen finden, vermissen. Hier ist es Aufgabe der Strafverfolgungsorgane und der Gerichte, für Gerechtigkeit im Einzelfall zu sorgen. Gleichzeitig zeigen sich im englischen Terrorismusstrafrecht jedoch auch der strafbarkeitslimitierende Einfluss der EMRK und damit die Bedeutung festgeschriebener Rechte.
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Einordnung Forschungsprogramm
- Forschungsschwerpunkte: Funktionale Grenzen
- Relevante Rechtsordnungen: Nationales Strafrecht
- Relevante Delinquenzbereiche: Terrorismus, Organisierte Kriminalität
- Das Projekt ist abgeschlossen.
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Dr. Sarah Herbert wurde in Ravensburg geboren. Sie studierte Rechtswissenschaften an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg mit Schwerpunkt im Strafrecht. Von 2005–2007 war Sarah Herbert als studentische Mitarbeiterin im Sachreferat „Europarecht“ am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht tätig und arbeitete für die Redaktion des online-Journals „eucrim“ (the european criminal law associations’ forum).
Ab Oktober 2008 war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin von Prof. Dr. Sieber am Institut beschäftigt und erhielt für das Sommersemester 2009 einen Lehrauftrag von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Seit Oktober 2010 absolviert Sarah Herbert den „Magister Legum“ (LL.M.) an der University of Nottingham (UK). Die Aufnahme in die Research School erfolgte im Juni 2010, im Mai 2013 der Abschluss.
Dissertationsbetreuer:
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Ulrich Sieber