Dr. Matthias Hörster
Die strict liability des englischen Strafrechts
Zugleich eine Gegenüberstellung mit dem deutschen Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht
Status
Das Projekt ist abgeschlossen
Die Figur der strict liability des englischen Strafrechts, bei der hinsichtlich einzelner Tatbestandsmerkmale auf den Nachweis einer subjektiven Tatseite im Sinne vorsätzlichen oder fahrlässigen Verhaltens verzichtet wird, scheint dem deutschen Recht wie kaum ein zweites Konstrukt dogmatisch fremd zu sein. Daneben wirft eine strafrechtliche strict liability auch Fragen von ganz grundsätzlicher Bedeutung auf, nicht zuletzt mit Blick auf die Vorgaben der EMRK.
Die Untersuchung erschließt dem Leser die strict liability – auch unter Berücksichtigung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben – bis in ihre neuesten Entwicklungen. In einem zweiten Teil wird die These untersucht, wonach die strict liability eine Besonderheit des Common Law darstellt, die im deutschen Recht keine wirkliche Parallele hat. Hierzu wird im Wege einer funktionalen Rechtsvergleichung beleuchtet, auf welche Weise das deutsche Strafrecht mit Sachverhalten umgeht, die das englische Recht über die Figur der strict liability zu lösen versucht.
Die Arbeit verdeutlicht, dass pauschal ablehnende Urteile der strict liability nicht gerecht werden. Isolierte Betrachtungsweisen ohne Berücksichtigung des Gesamtsystems unter Einbeziehung des Prozessrechts greifen zu kurz und zeitigen unvollständige Ergebnisse. Tatsächlich gelingen im englischen Recht die Behandlung bestimmter Lebenssachverhalte und die Bewältigung ihrer rechtlichen Probleme im Ergebnis infolge entsprechender Korrektive oftmals deutlich besser und erscheinen die gefundenen Ergebnisse sehr häufig weit weniger bedenklich, als dies der über eine strict liability gewählte Ansatzpunkt zunächst vermuten lässt.
In rechtsvergleichender Hinsicht zeigt die Arbeit, dass die im englischen und die im deutschen Recht gefundenen Konzepte zur Behandlung bestimmter Lebenssachverhalte und zur Lösung bestimmter rechtlicher Herausforderungen sich gar nicht so unähnlich sind. Das deutsche Recht kennt in typischen Bereichen der strict liability zumindest funktionale Äquivalente und arbeitet mit material vergleichbaren Überlegungen. Auch der deutsche Gesetzgeber und die deutsche Rechtspraxis können sich nicht von gewissen Zwängen freimachen. Zum Zwecke einer zufriedenstellenden und praktikablen Lösung bestimmter Problemstellungen werden spätestens bei der Rechtsanwendung gewisse Abstriche von den eigenen theoretischen und prinzipienorientierten Ansprüchen gemacht, wobei Ansätze verfolgt werden, denen funktional eine der strict liability entsprechende Aufgabe bei der Lösung bestimmter Rechtsprobleme zukommt: eine starke Orientierung an Präventionsbestrebungen zum Schutz der Allgemeinheit, umfassende Pflichten und Verantwortlichkeiten gewisser Rollenträger sowie eine pragmatische Handhabung bestimmter Lebenssachverhalte (z.B. die Massendelikte des täglichen Lebens). Die tatsächlichen und rechtspraktischen Auswirkungen und Ergebnisse der unterschiedlichen Konzepte stimmen jedenfalls in bestimmten Bereichen sehr häufig überein, die Unterschiede im theoretischen Ansatz schwinden bei einer funktionalen Gegenüberstellung.
Während zur Klärung der Frage, ob die Unterschiede zwischen dem englischen und dem deutschen Strafrecht in Bezug auf die strict liability tatsächlich so groß sind, wie vielfach angenommen wird, eine Konzentration einzig auf dogmatische und strukturelle Divergenzen und Gemeinsamkeiten somit noch ein verzerrtes, weil zu vordergründiges Bild ergibt, offenbart eine funktionale Gegenüberstellung – ungeachtet gleichwohl bestehender Unterschiede – zahlreiche Parallelen und Entsprechungen bei der Herangehensweise an bestimmte Sachprobleme sowie auch bei den praktischen Ergebnissen. Zwar ist vieles anders, aber letztlich doch sehr ähnlich.
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Einordnung Forschungsprogramm
- Forschungsschwerpunkte: Universale Strafrechtsvergleichung
- Relevante Rechtsordnungen: Europäisches Strafrecht, Nationales Strafrecht
- Das Projekt ist abgeschlossen.
- Bei Fragen zum Projekt oder zu Dr. Matthias Hörster wenden Sie sich bitte per Email an uns.
Dr. Matthias Hörster wurde in Freiburg im Breisgau geboren. Von 1999 bis 2005 studierte er Rechtswissenschaften an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Das Erste Juristische Staatsexamen absolvierte er im Juli 2005.
Den juristischen Vorbereitungsdienst leistete er in Freiburg ab und beendete ihn 2010 mit der Zweiten Juristischen Staatsprüfung.
Von 2005 bis 2010 war er am Institut für Strafrecht, Strafprozessrecht und Rechtsphilosophie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig. Während seiner Zeit als Doktorand verbrachte Dr. Hörster einen halbjährigen Forschungsaufenthalt am All Souls College, University of Oxford.
Die Aufnahme in die Research School erfolgte im März 2007. 2008 schloss er seine Promotion ab.
Dissertationsbetreuer:
Prof. Dr. Wolfgang Frisch