Dr. Tim Müller
Präventiver Freiheitsentzug als Instrument der Terrorismusbekämpfung
Status
Das Projekt ist abgeschlossen
Ausgezeichnet mit dem Carl-von-Rotteck-Preis als beste Dissertation 2010 an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und der Otto-Hahn-Medaille der Max-Planck-Gesellschaft für hervorragend qualifizierte junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
Die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus hat weltweit zu einem neuen Sicherheitsdenken geführt, in dessen Windschatten auf nationaler und internationaler Ebene Rechtsentwicklungen vorangetrieben werden, die freiheitliche Fundamente des demokratischen Rechtsstaats und funktionale Grenzen des Strafrechts infrage stellen. Zentrales Leitmotiv der neuen Sicherheitsgesetze ist der Ausbau von Prävention, also die Gewährleistung öffentlicher Sicherheit durch Maßnahmen im Vorfeld konkreter Gefahren und tatsächlicher Rechtsgutsbeeinträchtigungen.
Ungeachtet seiner herausragenden Bedeutung im deutschen Grundrechtssystem und der Europäischen Menschenrechtskonvention befindet sich auch das Recht auf Freiheit der Person im Fokus der Gesetzgeber. Die vorliegende Forschungsarbeit setzt sich in diesem Kontext mit dem in einer Vielzahl von Rechtsordnungen zu verzeichnenden Trend auseinander, eine speziell auf terrorismusverdächtige Personen zugeschnittene rechtliche Grundlage für einen präventiven Freiheitsentzug einzuführen. Diese Rechtsinstitute sollen die Inhaftierung von Personen ermöglichen, die in Zusammenhang mit der Vorbereitung von terroristischen Anschlägen gebracht werden, ohne dass sich die Hinweise auf das Bestehen einer unmittelbar bevorstehenden Gefahr verdichten oder bereits Schäden an individuellen Rechtsgütern eingetreten sind.
Forschungsziel war, die in Deutschland bestehenden Rechtsgrundlagen für eine vorbeugende Freiheitsentziehung systematisch darzustellen sowie die Grenzen herauszuarbeiten, die das Grundgesetz und die Europäische Menschenrechtskonvention einer Fortentwicklung derartiger Eingriffsgrundlagen auferlegen. Ausgehend von der klassischen Abgrenzung zwischen Prävention und Repression wurde ein Modell zu freiheitsentziehenden Maßnahmen im Vorfeld terroristischer Bedrohungen entwickelt, das vor dem Hintergrund internationaler Entwicklungen und ausländischer Rechtsordnungen verglichen und bewertet wurde. Hierdurch wird ein Beitrag zu der Diskussion geleistet, wie das Spannungsverhältnis zwischen individuellen Freiheitsansprüchen und gesellschaftlichen Sicherheitsbelangen zu einem gerechten und vertretbaren Ausgleich gebracht werden kann.
Die Analyse erfolgte in vier Schritten. Zunächst wurden die Garantien der Art. 2 Abs. 2 Satz 2, 104 GG und Art. 5 EMRK, die für alle freiheitsentziehenden Maßnahmen einheitlich Geltung beanspruchen, rechtsvergleichend erörtert. Darauf aufbauend wurden im zweiten Schritt die Grundlagen und Grenzen der Rechtsinstitute dargestellt, die eine präventive Freiheitsentziehung in Deutschland gestatten. Dabei sind sowohl gefahrenabwehrrechtliche als auch strafrechtliche Eingriffsgrundlagen in die Betrachtung einbezogen worden. Daran anknüpfend wurde im dritten Schritt überprüft, ob und inwiefern die bestehenden Möglichkeiten eines präventiven Freiheitsentzugs erweitert oder durch weitere Rechtsgrundlagen ergänzt werden können, ohne konventions- und verfassungsrechtliche Schranken zu durchbrechen. Abschließend wurde ein System zur Verzahnung straf- und gefahrenabwehrrechtlicher Eingriffstatbestände entwickelt, das sich im Sicherheitsrecht eines demokratischen Rechtsstaats widerspruchsfrei legitimieren lässt.
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Einordnung Forschungsprogramm
- Forschungsschwerpunkte: Funktionale Grenzen
- Relevante Rechtsordnungen: Nationales Strafrecht, Internationales Strafrecht
- Relevante Delinquenzbereiche: Terrorismus, Organisierte Kriminalität
- Das Projekt ist abgeschlossen.
- Bei Fragen zum Projekt oder zu Dr. Tim Müller wenden Sie sich bitte per Email an uns.
Dr. Tim Nikolas Müller wurde in Friedberg/Hessen geboren. Von Oktober 2000 bis November 2005 studierte er Rechtswissenschaften an der Goethe-Universität in Frankfurt a.M. Das erste juristische Staatsexamen absolvierte er im November 2005. 2007 schloss er ein Postgraduiertenstudium an der University of Oxford, Großbritannien, mit dem Erwerb des „Magister Juris“ (M.Jur.) ab.
Tim Müller verbrachte 2002 ein Semester an der Université de Paris X-Nanterre, Frankreich, das durch das ERASMUS-Programm gefördert wurde. Studienbegleitend arbeitete er als Mitarbeiter für Prof. Dr. Walter Kargl und Prof. Dr. Cornelius Prittwitz an der Goethe-Universität. 2008 wurde ihm von der Universität Freiburg ein Lehrauftrag für Strafrecht erteilt.
Er war Doktorand der Research School von November 2007 bis Juli 2010.
Dissertationsbetreuer:
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Ulrich Sieber