Anna Pingen

Motivationsdelikte

Ein deutsch-französischer Strafrechtsvergleich

Die Verführung oder das manipulative Überreden sind Themen, die die Menschen seit jeher in ihren Bann ziehen. Zeugen dieser Faszination sind die zahlreichen literarischen Werke, in denen ein zwielichtiger Verführer andere durch den geschickten Gebrauch von Worten dazu bringt, für ihn zu handeln und sogar Verbrechen zu begehen.

In solchen Fällen sind die Äußerungen eines Menschen eine Art „Straftatenauslöser“, der die Gefahr von Rechtsgutsverletzungen oder -gefährdungen mit sich bringt. Deshalb kann auch das Strafrecht der immer wiederkehrenden Thematik nicht ausweichen und muss sich der Frage nach der strafrechtlichen Sanktionierung von Äußerungen, die zur Begehung von Straftaten verleiten und motivieren, stellen. Traditionell hat der Gesetzgeber in derartigen Äußerungen eine Form der Teilnahme (insbesondere Anstiftung) an der begangenen Haupttat gesehen und sie auch als solche bestraft. Jedoch hat sich mit der Veränderung der Kriminalität, dem weltweiten Auftreten neuer Risiken sowie den neuen Massenkommunikationsmitteln über die Jahre auch die Kriminalisierung verändert: Immer mehr Äußerungen, in denen ein anreizendes oder anstachelndes Potenzial gesehen wird, werden als eigenständige Delikte betrachtet und unter Strafe gestellt. Diese neuen Straftatbestände stellen damit Äußerungen unter Strafe, die in einer entfernteren Beziehung zur tatsächlichen Begehung einer Straftat stehen, d.h. bei denen der Handlungsdruck im Vergleich zur Anstiftung zu einer konkreten Tat als weniger stark erscheint. In der Strafrechtswissenschaft sind diese Tatbestände zwar wiederholt als Gegenstand von Monographien behandelt worden, jedoch wurden sie als motivationssanktionierende Tatbestände nicht rechtsvergleichend untersucht.

Die Dissertation hat zum Ziel, die verschiedenen Delikte, die Äußerungen sanktionieren, weil ihnen ein motivierender Charakter zur Begehung von Straftaten zugesprochen wird, vergleichend zwischen Frankreich und Deutschland zu bestimmen, sie nach ihrer Nähe zur tatsächlichen Begehung einer Tat zu systematisieren und sie dabei – auch unter kriminal- und rechtspolitischen Gesichtspunkten – einzuordnen und zu bewerten.

Der Untersuchungsansatz beruht auf funktionaler Strafrechtsvergleichung. Dabei soll für den Rechtsvergleich zwischen Deutschland und Frankreich eine Metastruktur erstellt werden, die nicht nur rechtliche Regelungen vergleicht, sondern es auch ermöglicht, die verschiedenen nationalen Tatbestände zu erfassen, einheitlich zu gliedern und damit im Detail zu vergleichen. Für die kriminalpolitische Einordnung wird anhand der Gesetzgebungsmaterialien, der Rechtsprechung und der Literatur untersucht, welche Ziele der Normen der Gesetzgeber mit der Einführung der relevanten Tatbestände verfolgt hat oder welche Ziele von Rechtsprechung und Literatur anerkannt sind. Sodann werden Tatbestandsstruktur und Tatbestandsmerkmale verglichen. Im bewertenden Teil wird abschließend eine eigene Beurteilung entsprechend der verfassungsrechtlichen und strafrechtsdogmatischen Anforderungen an die Kriminalisierung der Motivationsdelikte entwickelt.

Anna Pingen
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Anna Pingen wurde 1993 in München geboren. Sie studierte Rechtswissenschaften an der Université Toulouse 1 Capitole (UT1) in Toulouse, Frankreich. Von 2014 bis 2015 absolvierte sie im Rahmen des Erasmus-Programmes ein akademisches Jahr an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Im Juli 2016 schloss sie ihr Masterstudium an der Université Toulouse 1 Capitole ab.

Studienbegleitend war Anna Pingen von Februar 2015 bis September desselben Jahres als studentische Mitarbeiterin bei Prof. Dr. Ulrich Sieber am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht tätig.

Die Aufnahme in die Research School erfolgte im Juli 2017.