Dr. Allan Plekksepp

Die gleichmäßige Gewährleistung des Rechts auf Verteidigerbeistand

Eine Voraussetzung der gegenseitigen Anerkennung strafrechtlicher Gerichtsentscheidungen in Europa

Status

Das Projekt ist abgeschlossen

Publikation

  • 519 Seiten; Berlin, 2012
  • ISBN: 978-3-86113-827-3
  • Preis: 44 EUR / 60 sFr

Das kriminalpolitische Prinzip der gegenseitigen Anerkennung strafrechtlicher Gerichtsentscheidungen in Europa dient dazu, die jeweiligen nationalen Strafverfolgungen enger miteinander zu verknüpfen, als dies bei der herkömmlichen Rechtshilfe der Fall ist. Konkret gilt das für den Europäischen Haftbefehl (EuHB).

Während die europäische Strafverfolgung durch das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung schneller und effektiver wird, stellt sich die Frage der Ausstattung der Beschuldigtenrechte in einem europäischen Strafverfahren. Vor allem rechtsvergleichende Untersuchungen der nationalen Strafrechtsordnungen können die Grundlagen für eine präzise Beurteilung des pluralistischen Normprogramms in Europa schaffen. Das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung wird in der Untersuchung anhand des Rechts auf Verteidigerbeistand sowohl im System der EMRK als auch in den Strafverfahren von Deutschland, England/Wales, Finnland und Estland geprüft. Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt auf dem Zugang zum Verteidigerbeistand im Ermittlungsverfahren und während der Haft, auf der notwendigen Verteidigung bzw. Rechtsberatungshilfe sowie auf der Gewährleistung einer effektiven Verteidigung. Diese und ähnliche rechtsvergleichende Untersuchungen helfen den europäischen Gesetzgebern und Rechtsanwendern, den Mangel an Wissen über andere Strafverfahren zu überwinden.

In allen untersuchten Rechtsordnungen ist die Teilnahme des Verteidigers am Strafverfahren inklusive der Ermittlungen aus vielerlei Gründen in der Regel notwendig, um dem Beschuldigten gegenüber der überlegenen Strafverfolgung Schutz für seine subjektiven Rechte zu gewährleisten. Während der Arbeit haben sich die nationalen Unterschiede bei der Regelung des Rechts auf Verteidigerbeistand trotz gemeinsamer Grundlage (EMRK) und des ähnlichen Kernbestands deutlich herauskristallisiert. Als besonders problematische Funde erwiesen sich die schwache Ausgestaltung der notwendigen Verteidigung im deutschen Ermittlungsverfahren, die Einschränkungen des Rechts auf Verteidigerbeistand in England/Wales (delay-Befugnis der Polizei) sowie in Deutschland (Abwesenheit bei der polizeilichen Vernehmung) und die Überwachung der Verteidigerkontakte (Finnland). Auch die Kontrolle der Qualität der Verteidigung ist trotz der Rechtsprechung des EGMR noch ziemlich wenig entwickelt und die notwendige Verteidigung unterfinanziert (Deutschland, Estland). Diese Mängel rechtfertigen keine generellen Vorbehalte gegen das Prinzip oder ein bestimmtes Land, können aber unter Umständen (Terrorismusverfahren, mittellose Beschuldigte) als Einwand gegen die Übergabe einer Person dienen. Es gibt aber auch einzelne Regelungen, die gegenüber anderen Rechtsordnungen vorteilhafter und beschuldigtenfreundlicher sind: die Pflichtverteidiger im Fall einer geheimen technischen Überwachung eines Beschuldigten (Finnland), Verteidigernotdienste (England/Wales, Deutschland), Public Defenders (England/Wales, Finnland) und eine starke berufsrechtliche Kontrolle, die auch die Interessen der Mandanten beachtet (England/ Wales).

Die gegenseitige Anerkennung schließt die Harmonisierung nicht aus, sondern setzt diese zur Schaffung gegenseitigen Vertrauens voraus. Eine Stärkung des Rechts auf Verteidigerbeistand durch einen EU-Rechtsakt wäre notwendig, um das Recht effektiver und gleichmäßiger zu gewährleisten. Zum Beispiel könnte der Zugang zu einem Verteidiger in jeder Lage des Verfahrens ohne willkürliche Einschränkungen eingeführt sowie die notwendige Verteidigung gemäß den unterschiedlichen Bedürfnissen der Beschuldigten besser zugeschnitten werden. Positive nationale Beispiele der effektiven Gewährleistung dieses Rechts könnten durch soft law und sonstige Initiativen europaweit verbreitet werden.

Dr. Allan Plekksepp

Dr. Allan Plekksepp wurde in Tallinn (Estland) geboren. Von 1996 bis 2000 studierte er Rechtswissenschaften an der Universität Tartu in Estland. Im Juni 2000 schloss er sein Studium mit dem Erwerb des „Baccalaureus Artium“ ab.

Im Studienjahr 1999 absolvierte Allan Plekksepp ein Studienpraktikum bei der Staatsanwaltschaft in Tartu. Von 2000 bis 2003 war er als Referent und Berater für Strafrecht beim Justizministerium der Republik Estland in Tallinn tätig.

2005 schloss er ein Postgraduiertenstudium an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg mit dem Erwerb des „Magister Legum“ (LL.M.) ab.

Die Aufnahme in die Research School erfolgte im Januar 2007. Allan Plekksepp schloss seine Promotion im Februar 2010 ab.

Dissertationsbetreuer:
Prof. Dr. Walter Perron