Dr. Xiong Qi

Massenmedien und Strafurteil

Eine rechtsvergleichende Forschung zu China und Deutschland

Status

Das Projekt ist abgeschlossen

Publikation

  • 364 Seiten; Berlin, 2021
  • ISBN: 978-3-86113-117-5 (Max-Planck-Institut)
  • Preis: 35 EUR / 48 sFr

In dem Forschungsprojekt wurde das Phänomen „mediale Verurteilung“ in China untersucht. Eine rechtsvergleichende Forschung zur deutschen Vergleichsparallele wurde herangezogen, um zu verdeutlichen, welche unterschiedlichen Schwerpunkte der Spannungssituation zwischen Massenmedien und Fairness der Strafjustiz in beiden Ländern bestehen, welche rechtssozialen und rechtskulturellen Hintergründe sowie rechtsdogmatischen Gründe dazu führen könnten, dass die mediale Verurteilung besonders im chinesischen Rechtssystem zu erkennen ist und ob sie als zulässig erachtet werden kann.

Forschungsziel war es, eine dogmatisch klare und mit der Rechtspraxis übereinstimmende Erklärung für die Entstehung, normative Zulassung und rechtspraktische Behandlung der medialen Verurteilung in China zu entwickeln und rechtsvergleichend die Grundlage für einen tragfähigen Ausgleich zwischen den Medien und der Strafjustiz zu erarbeiten, ohne dass es zur medialen Verurteilung kommt. Durch die Arbeit wurde aufgezeigt, dass sich in Deutschland die Spannung mehr auf der Ebene Medien-Persönlichkeitsrechte abspielt, während die Spannungslage sich in China mehr auf der Ebene Medien-Justiz zeigt, was unmittelbar die Fairness des Strafurteils beeinträchtigt und sich als „mediale Verurteilung“ darstellt.

Die Untersuchung der medialen Verurteilung hat zwei Facetten: eine äußere und eine innere. Während es bei der äußeren Facette um die Medienwirkung als Zusammenspiel von justizfremden Faktoren geht, ist mit der inneren Facette die Medienwirkung selbst als normatives Element gemeint. Mit der äußeren Facette soll erklärt werden, wie die durch Medien erzeugte Volksmeinung in politischen Druck umgewandelt wird, der sich direkt auf die Justiz auswirken kann. Dieses Zusammenspiel wird als Interaktionsvorgang untersucht, der zugleich einen Verstärkungskreislauf in Gang setzt. Darüber hinaus wird durch die Einbeziehung des institutionellen Hintergrunds erklärt, warum die mediale Verurteilung im deutschen Rechtssystem verhindert werden kann. Der rechtskulturelle Hintergrund kann ferner verdeutlichen, warum die mediale Verurteilung in China in vielerlei Hinsicht gewollt ist. Mit der inneren Facette soll demgegenüber erläutert werden, wie die durch Medien erzeugte Volksmeinung selbst als normatives Element bei der konkreten Rechtsanwendung rechtsdogmatisch berücksichtigt werden kann. Medienwirkung kann in China die Funktion eines unbenannten Tatbestandsmerkmals haben, weil die Medienwirkung als Indiz für Sozialschädlichkeit zu verstehen ist und die Sozialschädlichkeit selbst wegen der Besonderheiten der Struktur des Deliktsaufbaus in der chinesischen Verbrechenslehre als ein „vorverlegtes“ Tatbestandsmerkmal betrachtet wird. Diese Funktion ist im chinesischen Strafrechtssystem zulässig; sie wird eine potenzielle mediale Verurteilung weder verhindern noch veranlassen. Medienwirkung kann auch im Rahmen der Strafzumessung als Indiz der Sozialschädlichkeit Berücksichtigung finden, sei es innerhalb oder außerhalb der gesetzlichen Strafzumessungsregeln.

Die Untersuchung ergab, dass das Verlangen der Modernisierung des chinesischen Strafrechts die chinesischen Juristen dazu drängt, mit einer „Renaissance“ der formalen Rationalität des Rechts sowohl im Bereich der Rechtsinstitutionen als auch in der Rechtskultur zu beginnen. Daher ist davon auszugehen, dass die Existenz und der Fortbestand der „medialen Verurteilung“ die Alarmglocken für das gesamte Strafrechtssystem in China schrillen lässt.

Dr. Xiong Qi

Dr. Xiong Qi wurde in Wuhan, China, geboren. Von 1998 bis 2002 studierte er International Law an der Universität Wuhan. Er schloss sein Studium im Juni 2002 mit dem Erwerb des „Bachelor of Law“ ab.

Im Studienjahr 2005 beendete Xiong Qi ein Postgraduiertenstudium an der Universität Heidelberg mit dem Erwerb des „Magister Legum“ (LL.M.).

Die Aufnahme in die Research School erfolgte im Januar 2007, seine Promotion schloss er im Februar 2010 ab.