Dr. Philipp Reeb

Internal Investigations

Neue Tendenzen privater Ermittlungen

Status

Das Projekt ist abgeschlossen

Publikation

  • 196 Seiten; Berlin, 2011
  • ISBN: 978-3-86113-835-8
  • Preis: 31 EUR / 48 sFr

Bei der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität wird über Compliance verstärkt auf Private gesetzt. Unternehmen haben im Wege der Selbstregulierung staatliche Wertungen zu übernehmen; sie sollen Gesetzesverstöße der Mitarbeiter verhindern (prevention), aufdecken (detection) und delinquente Mitarbeiter sanktionieren (reaction). Die Aufdeckung von Gesetzesverstößen erfolgt dabei durch unternehmensinterne Untersuchungen, sogenannte Internal Investigations. Durch sie sollen solche Sachverhalte zutage gefördert werden, die unternehmensbezogene Sanktionen auslösen können. Der Ablauf einer solchen Aufklärungsarbeit erfolgt in der Praxis in zwei Schritten: Zunächst werden alle Dokumente aller Beschäftigten ausgewertet. Verdächtige Mitarbeiter werden sodann in einem sogenannten Interview mit den Ermittlungsergebnissen konfrontiert. Die so gewonnenen Beweismittel werden regelmäßig an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet.

Die Forschungsarbeit befasst sich mit den Rechtsproblemen, die mit der Durchführung der Internal Investigations verbunden sind. Sie gliedert sich in vier Teile. Im ersten werden auf der Basis einer rechtlichen wie rechtstatsächlichen Analyse die folgenden Konstellationen herausgearbeitet: Private Ermittlungen, staatliche Ermittlungen durch staatliche Akteure sowie staatliche Ermittlungen durch private Akteure. Die Qualifikation einer Ermittlungsmaßnahme als staatlich oder privat hängt dabei davon ab, wer die Herrschaft über die betreffende Investigation hat. Dabei zeigt sich, dass die durch die US-Börsenaufsichtsbehörde Securities and Exchange Commission (SEC) initiierten Internal Investigations funktional staatliche Ermittlungen darstellen, im Übrigen Internal Investigations aber als private Ermittlungsmaßnahmen zu werten sind. Im zweiten Teil wird die Zulässigkeit privater Ermittlungen untersucht. Hier kommt die Arbeit zu dem Ergebnis, dass die Ermittlungsbefugnis Privater so weit geht, wie es das (einfache) Recht zulässt, im Grundsatz aber von einem Ermittlungsvorrang der Strafverfolgungsbehörden ausgegangen werden muss. Hiervon ausgehend werden die Privatisierungstendenzen im wirtschaftsstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren skizziert und bewertet. Im dritten Teil werden die sich aus dem materiellen Recht ergebenden Grenzen privater Ermittlungen, insbesondere vor dem Hintergrund der Internal Investigations, herausgearbeitet. Es zeigt sich, dass diese Compliance-Maßnahmen sowohl mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht wie mit Straftatbeständen konfligieren können. Die Frage der Verwertbarkeit privat erlangter Beweismittel ist Gegenstand des vierten Teils. Die Untersuchung legt dar, dass der private Beschaffungsakt selbst keine Relevanz für die Frage der Verwertbarkeit des Beweismittels entfaltet. Die Strafprozessordnung enthält allerdings keine Rechtsgrundlage, die die Verwertung privat erlangter und den Strafverfolgungsbehörden zugespielter Beweismittel legitimiert. Eine entsprechende Ermächtigung vermittelt aber die hypothetische Anwendung der Beweiserhebungsnormen. So ist die Verwertung eines Beweises nach (legaler wie illegaler) privater Beweisgewinnung ausschließlich in der Situation hypothetisch rechtmäßiger staatlicher Beweiserhebung statthaft. Die objektiv-rechtliche Funktion der Beweiserhebungsnormen, die Beweisbeschaffung und -verwertung zu legitimieren und die strafprozessualen Nachweismöglichkeiten bei der staatlichen Wahrheitsfindung zu limitieren, wird genutzt, um zu gewährleisten, dass die Strafverfolgungsbehörden bei privater Beweisgewinnung weder besser noch schlechter stehen, als es das gesetzliche Regelungskonzept bei staatlicher Beweiserhebung vorsieht.

Dr. Philipp Reeb

Dr. Philipp Reeb wurde in Frankfurt am Main geboren. Er studierte Rechtswissenschaften in Bayreuth (2003–2005), wo er die wirtschaftswissenschaftliche Zusatzqualifikation erwarb, und in Freiburg (2005–2009).

Im Anschluss an die Erste Juristische Prüfung war er bis April 2011 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kriminologie und Wirtschaftsstrafrecht in Freiburg tätig. Danach nahm er das Rechtsreferendariat am OLG Düsseldorf auf.

Die Aufnahme in die Research School erfolgte im November 2009. Im Dezember 2010 schloss Philipp Reeb seine Promotion ab.

Dissertationsbetreuer:
Prof. Dr. Roland Hefendehl