Dr. Lutz Roth
Wettbewerbsverzerrungen durch Strafrecht
Harmonisierungskompetenz der EG auf der Grundlage der Binnenmarktregelungskompetenz
Status
Das Projekt ist abgeschlossen
Das europäische Strafrecht ist trotz oder gerade wegen seiner partiellen Normierung seit geraumer Zeit Inhalt wissenschaftlicher Diskussionen. Die Beiträge reichen von punktuellen Stellungnahmen bis hin zur Erarbeitung konkreter Regelungsvorschläge für die Kodifizierung eines europäischen Strafrechts. Die mit dem Vertrag von Maastricht eingeführte 3-Säulen-Struktur des EU-Vertrags bestimmte einige strafrechtliche Zuständigkeiten der EU.
Welche Zuständigkeiten ihr im Rahmen der Politikbereiche des EG-Vertrags zustanden, wurde bis zum Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon nicht abschließend geklärt. Der EuGH äußerte sich hierzu lange nur in Andeutungen, bis er in einer Entscheidung im Jahre 2005 (C-176/03) eine strafrechtliche Kompetenz der EU auf den EG-Vertrag stützte. In diesem viel beachteten Urteil eröffnete der EuGH der EG den Weg, auch mittels einer Kompetenz des EG-Vertrags die strafrechtlichen Vorschriften der Mitgliedstaaten zu harmonisieren. Diese Rechtsprechung bestätigte der EuGH im Urteil C-440/05 vom Oktober 2007. Er beschränkte den Anwendungsbereich jedoch zugleich auf strafrechtliche Regelungen mit umweltpolitischer Zielsetzung. Ob sich diese Kompetenz auch auf andere Politikbereiche des EG-Vertrags erstreckte, wurde von der Politik und der Literatur bereits seit Langem, zumindest für den Bereich des Binnenmarkts, teils vehement bejaht. Der EuGH umging das Problem in seinen beiden Urteilen „Fluggastdaten“ C-317/04 und C-318/04 und „Vorratsdatenspeicherung” (C-301/06).
Die Untersuchung ging der Frage nach, ob der EG bis zum Inkrafttreten des Lissabonner Vertrags eine strafrechtliche Harmonisierungskompetenz zustand, insbesondere im Politikbereich des Binnenmarkts (Art. 95 EGV). Es wird darüber hinaus ein erster Ansatz für die Auslegung der neuen, zentralen Vorschrift des Art. 83 Abs. 2 AEUV entwickelt.
Erstes Forschungsziel ist die Analyse der Konstruktion der strafrechtlichen Kompetenz der EG. Diese warf unter Geltung des EG-Vertrags mehr Fragen als Antworten auf. Ausgehend von den gefundenen Ergebnissen wird auch ein Ausblick auf die neue Vorschrift des Art. 83 Abs. 2 AEUV gegeben. Sodann wird untersucht, ob der EG eine Kompetenz zustand, unter Berufung auf den Politikbereich des EG-Binnenmarkts Strafvorschriften anzugleichen. Die Arbeit widmet sich dabei einer kritischen Analyse des zentralen Arguments der h.L. für eine strafrechtliche Harmonisierungskompetenz in diesem Politikbereich. Dieses lautet, dass uneinheitliche strafrechtliche Regelungen zu verschiedenen Arten von Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt führen könnten. Die Untersuchung systematisiert zuerst die von der h.L in diesem Zusammenhang angeführten Arten der Wettbewerbsverzerrungen und analysiert ihre jeweilige dogmatische Grundlage, um sie anschließend anhand von empirisch nachweisbaren Phänomenen verifizieren zu können.
Die europarechtliche Arbeit greift im Rahmen des zweiten Forschungsziels – zur Verifizierung empirisch feststellbarer Wettbewerbsverzerrungen – auf ausgewählte empirische Untersuchungen zurück (Sekundäranalyse). Sie zeigt, dass sich eine strafrechtliche Kompetenz der EG unter Geltung des EG-Vertrags nicht ohne Widersprüche begründen ließ und auch die Auslegung des Art. 83 Abs. 2 AEUV noch erhebliche Probleme aufwirft. Sämtliche Begründungsansätze für eine strafrechtliche Kompetenz der EG auch im Politikbereich des Binnenmarkts halten einer eingehenden Überprüfung nicht stand. Insbesondere zeigt die empirische Verifizierung in Teil 2 der Arbeit, dass Unterschiede in den nationalen Strafrechtsordnungen nicht per se zu Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt geführt haben und führen werden.
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Einordnung Forschungsprogramm
- Forschungsschwerpunkte: Territoriale Grenzen
- Relevante Rechtsordnungen: Europäisches Strafrecht
- Das Projekt ist abgeschlossen.
- Bei Fragen zum Projekt oder zu Dr. Lutz Roth wenden Sie sich bitte per Email an uns.
Dr. Lutz Roth wurde in Darmstadt geboren. Von 1998 bis 2004 studierte er Rechtswissenschaften in Passau, Tours (Frankreich) und Freiburg i. Br. Das Erste Juristische Staatsexamen absolvierte er 2004 in Freiburg, das Referendariat und die Zweite Juristische Staatsprüfung im Jahr 2006 in Karlsruhe.
Dr. Roth war von 2005 bis 2008 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kriminologie und Wirtschaftsstrafrecht an der Universität Freiburg i. Br. am Lehrstuhl von Prof. Dr. Hefendehl. Ab Dezember 2008 war er als Staatsanwalt in Leipzig tätig, derzeit ist er Richter in Dresden.
Die Aufnahme in die Research School erfolgte im Januar 2007. Er hat im Mai 2009 seine Promotion abgeschlossen.
Dissertationsbetreuer:
Prof. Dr. Roland Hefendehl