Dr. Linus Sonderegger

Die Rückkehr der Folter?

Anwendung von Zwang bei der Vernehmung im deutschen und US-amerikanischen Recht

Status

Das Projekt ist abgeschlossen

Publikation

  • 343 Seiten; Berlin, 2012
  • ISBN: 978-3-86113-832-7
  • Preis: 35 EUR / 48 sFr

Der Kampf gegen den Terrorismus und das Bedürfnis der Gesellschaft nach Sicherheit haben auch vor dem Tabu der Anwendung von Folter oder „milderer“ Mittel zu Verhörzwecken nicht Halt gemacht. Vor dem Hintergrund, dass Folter von der Antike bis in die Neuzeit fester und rechtmäßiger Bestandteil des judiziellen Verfahrens war, stellt das absolute Folterverbot auf internationaler und nationaler Ebene eine essentielle Errungenschaft des modernen Menschenrechtsschutzes dar und gilt als Inbegriff der Rechtsstaatlichkeit. Jedoch ist wohl bei keinem Menschenrecht die Diskrepanz zwischen völkerrechtlichem Verbot und staatlicher Praxis so weitreichend. Durch tragische Ereignisse wie die Terroranschläge des 11. September 2001 oder den Entführungsfall des Jakob von Metzler wird die Notwendigkeit und Legitimität des absoluten Folterverbots nunmehr auch in gefestigten Rechtsstaaten vermehrt angezweifelt. Die Frage danach, wie viel „Menschenwürde“ die moderne Gesellschaft in Verhörsituationen noch verträgt, ist daher eine Aufgabe, die es im demokratischen Rechtsstaat dringend zu lösen gilt.

Konkreter Gegenstand des Forschungsprojekts ist das Folterverbot im internationalen Recht und in den Rechtsordnungen von Deutschland und den USA sowie die rechtlichen Regelungen von Zwang im Verhör. Zwang wird möglichst umfassend verstanden und beinhaltet daher sowohl psychische als auch physische Einwirkungen auf die verhörte Person. Bei der Zielsetzung der Verhöre wird zwischen repressiver und präventiver Informationsgewinnung unterschieden.

Das erste Ziel des Forschungsvorhabens war, das Phänomen der Folter in seiner rechtsgeschichtlichen und rechtstatsächlichen Erscheinungsform umfassend zu analysieren. Das zweite Ziel lag in der Erarbeitung der absoluten und relativen Grenzen des zulässigen Zwangs im Verhör: Es sollte untersucht werden, wo – losgelöst vom Verwendungszweck und der spezifischen Fallkonstellation – der Einwirkung auf den Verhörten absolute Grenzen zu setzen sind. Die relative Grenze soll aufzeigen, ob bzw. wo – differenziert nach repressivem oder präventivem Verwendungszweck sowie den spezifischen Fallkonstellationen – unterschiedliche Zwangseinwirkungen zulässig sind. Als weiteres Ziel galt es, einen rechtspolitischen Vorschlag zu erarbeiten, wie dem Problem in einer rechtsstaatlichen Demokratie am besten begegnet werden soll.

In methodischer Hinsicht wird im ersten Teil der Untersuchung das Phänomen der Folter in seiner geschichtlichen Entwicklung und gegenwärtigen Erscheinungsform durch Auswertung von Dokumenten, Literatur und Befragungen umfassend dargestellt. Anschließend werden die einzelnen innerstaatlichen und internationalen Regelungen in Heranziehung von Gesetzgebung, Literatur und Rechtsprechung analysiert. Im rechtsvergleichenden Teil werden die Lösungsansätze der verschiedenen Rechtsordnungen auf ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede untersucht sowie auf ihre Übereinstimmung mit den internationalen Vorgaben geprüft. Daran anknüpfend werden in einer kritischen und wertenden Betrachtung dieser Ergebnisse die absoluten und relativen Grenzen von Zwang im Verhör erarbeitet. In einem letzten Schritt folgt eine Besprechung der bisher in der Literatur und Praxis vorgeschlagenen Lösungen der Folterproblematik, um schließlich eine eigene rechtspolitische Stellungnahme dazu zu formulieren.

Dr. Linus Sonderegger

Dr. Linus Sonderegger wurde in St. Gallen, Schweiz, geboren. Von 2002 bis 2007 studierte er Jura an der Universität Zürich. Im Dezember 2007 schloss er sein Studium mit dem Erwerb des Lizenziats ab.

Im Studienjahr 2005 verbrachte er ein Auslandssemester an der Örebro-Universität in Schweden. 2006 absolvierte er ein Studienpraktikum beim Bezirksgericht Affoltern, Kanton Zürich.

Die Aufnahme in die Research School erfolgte im September 2008. Seine Promotion schloss er im Mai 2011 ab.