Dr. Mandy Vetter

Verteidigerkonsultation im Ermittlungsverfahren

Eine rechtsvergleichende Untersuchung zum deutschen und englischen Strafverfahrensrecht im Lichte der EMRK

Status

Das Projekt ist abgeschlossen

Publikation

  • 760 Seiten; Berlin, 2018
  • ISBN: 978-3-86113-787-0
  • Preis: 50 EUR

Als Reaktion auf den internationalen Terrorismus hat die Rechtsstellung des Beschuldigten vor allem in der für ihn so bedeutsamen Phase des Ermittlungsverfahrens und speziell seiner ersten polizeilichen Vernehmung gravierende Einschnitte erfahren. Die formelle Verteidigung wird eher als Hindernis auf dem Weg zu seiner Überführung denn als Gebot der Rechtsstaatlichkeit empfunden. Angesichts dieser Entwicklung befasst sich das Forschungsprojekt mit dem Recht auf Verteidigerbeistand und analysiert seine Gewährleistung im deutschen und englischen Ermittlungsverfahren unter Einbeziehung der Vorgaben der EMRK. Ziel der Arbeit ist die Beurteilung der Konventionskonformität der beiden Modelle formeller Verteidigung vor dem Hintergrund zweier gegensätzlicher Strafverfahrenssysteme, um auf dieser Grundlage ihre normative Ausgestaltung sachgerecht bewerten zu können. In einem funktional-systematischen Rechtsvergleich analysiert die Untersuchung das Recht auf Verteidigerbeistand daher zunächst auf nationaler und internationaler Ebene rechtsdogmatisch wie rechtssystematisch und überprüft anschließend beide Lösungsmodelle auf ihre Kompatibilität mit dem konventionsrechtlichen Mindeststandard.

Die Untersuchung hat gezeigt, dass die formelle Verteidigung in beiden Rechtsordnungen trotz ähnlicher Rahmenbedingungen wesentliche Unterschiede aufweist. Diese manifestieren sich vor allem in Bezug auf die Rechtsstellung des Beschuldigten und die Ermittlung des wahren Tatgeschehens. Auch spiegeln sie sich im zugrunde liegenden Verhältnis zwischen Staat und Individuum wider. Obwohl das Recht auf Verteidigerbeistand durch seine Fortentwicklung in Gesetzgebung und Judikatur in den letzten Jahrzehnten erheblich gestärkt worden ist, zeigen sich bei seiner Ausgestaltung im Ermittlungsverfahren noch immer bedeutende Schwachstellen. Das deutsche Recht verwirklicht die Rechtsstellung des Beschuldigten als Verfahrenssubjekt im Wege einer paternalistischen Fürsorge des Staates für die Belange des Einzelnen und schränkt seine Entscheidungsfreiheit aus Gründen der Verfahrenssicherung in Gestalt der notwendigen Verteidigung ein. Im Gegensatz dazu betont das englische Recht vorwiegend seine Autonomie und ermöglicht auch dem mittellosen Beschuldigten eine Verteidigerkonsultation durch die Gewährung von Rechtshilfe. Allerdings verkehrt sich dieser Schutz zunehmend in sein Gegenteil, da es Verteidigungsaufgaben auch auf juristisch ungeschultes Personal überträgt und Beschuldigte sich zur Kostenreduktion mit einer telefonischen Rechtsberatung oder Besprechung mit Kanzleiangestellten begnügen müssen. Ein Manko des deutschen Rechts ist ferner das Fehlen eines gesetzlich verankerten Rechts des Beschuldigten auf Anwesenheit eines Verteidigers bei seiner polizeilichen Einvernahme. Schließlich helfen beide Rechtsordnungen Verstößen vonseiten der Ermittlungsbehörden primär erst im Rahmen der Beweisverwertung und Beweiswürdigung im Hauptverfahren ab. Insoweit erscheint die Konventionskonformität des nationalen Rechts zweifelhaft, da der EGMR die Garantie auf Verteidigerbeistand im Sinne eines Anspruchs auf eine wirkungsvolle Verteidigung interpretiert und die Signatarstaaten damit verpflichtet, bereits im Ermittlungsverfahren auf einen frühzeitigen Verteidigerbeistand hinzuwirken.

Dr. Mandy Vetter

Dr. Mandy Vetter wurde in Dresden geboren. Im Juni 2005 schloss sie ihr Studium der Rechtswissenschaften an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg ab. Das Referendariat absolvierte sie von 2005 bis 2007 am Landgericht Freiburg. Im Oktober 2007 legte sie das Zweite juristische Staatsexamen ab.

Von Oktober 2007 bis März 2009 war sie als wissenschaftliche Angestellte am Institut für Strafrecht und Strafprozessrecht der Albert-Ludwigs-Universität unter der Leitung von Herrn Prof. em. Dr. Dr. h.c. Dr. h.c. Wolfgang Frisch tätig.

Von April 2009 bis Dezember 2012 war sie Mitglied der Research School. Ihre Promotion schloss sie im Mai 2016 mit dem Rigorosum ab.

Im Januar 2013 wurde sie zur Notarassessorin im Freistaat Thüringen ernannt. Seit März 2014 ist sie Notarassessorin im Freistaat Sachsen.

Dissertationsbetreuer:
Prof. Dr. Wolfgang Frisch